Peter Kaufmann

Mensch oder künstliche Intelligenz – erkennen Sie den Unterschied?

Die künstliche Intelligenz ChatGPT verfasst perfekt klingende Motivationsschreiben. Sie braucht dazu nur das Stelleninserat und einige wenige Instruktionen. Aber kann sie damit auch Recruiting-Profis überzeugen? Und was bedeutet der vermehrte Einsatz von künstlicher Intelligenz für die Zukunft der HR-Mitarbeitenden? Wir haben für Sie den Test gemacht.

Ende 2022 wurde ChatGPT für die Öffentlichkeit freigegeben. Hinter diesem Namen steckt eine der am weitesten entwickelten künstlichen Intelligenzen der Welt. Diese ist in Form eines Chatbots für jeden und jede von uns verfügbar.

Die Fähigkeiten von ChatGPT sind erstaunlich: Die künstliche Intelligenz kann praktisch jede Frage beantworten, sie kann Verse und Liedtexte verfassen und sie kann sogar ganze Computerprogramme schreiben, die auch wirklich funktionieren.

Wenn man sich im Chat mit der künstlichen Intelligenz unterhält, ist es fast unmöglich festzustellen, dass da am anderen Ende des Chats eine Maschine schreibt - und nicht ein Mensch.

Manchmal erzählt ChatGPT zwar auch einfach Blödsinn - aber sie tut dies so überzeugend, dass man wirklich aufpassen muss, ihr nicht auch den Blödsinn zu glauben.

Fragen Sie sich jetzt, warum wir das alles in diesem HR-Blog erwähnen? Ganz einfach: ChatGPT kann auch Bewerbungsschreiben verfassen. Die Frage ist: Sind diese gut genug? Das wollten wir wissen und haben, zusammen mit unseren Partnern von ARTISET Kaderselektion, den Test gemacht.

Wir haben zwei Stellen ausgewählt, für welche ARTISET Kaderselektion aktuell gerade am Rekrutieren ist. Die Stelleninserate haben wir ChatGPT als Input gegeben und sie gebeten, dazu je ein Bewerbungsschreiben zu verfassen. Im Anschluss haben wir das Team von ARTISET Kaderselektion um eine Beurteilung der Ergebnisse gebeten.

 

Hier schreibt eine Maschine – aber hätte es auch ein Mensch sein können?

Die erste Stelle ist «Leiter:in Ressort Lebensgestaltung bei INSOS, dem nationalen Branchenverband der Dienstleister für Menschen mit Behinderungen». Die Stellenbeschreibung sehen Sie im folgenden Bild.

Wir haben ChatGPT diese Anweisung gegeben: «Verfasse ein Bewerbungsschreiben. Zeige ausführlich auf, warum du dich gerade für diese Stelle in diesem Unternehmen interessierst. Beziehe dich dabei auf die Informationen im Stelleninserat, aber benutze nicht immer die gleichen Worte wie im Inserat, sondern nutze auch passende Synonyme.»

ChatGPT bewirbt sich als Leiterin Ressort Lebensgestaltung bei INSOS

Daraufhin hat ChatGPT folgendes Motivationsschreiben verfasst:

Sehr geehrter Herr Herrman

Ich bewerbe mich hiermit als Leiterin des Ressorts Lebensgestaltung bei INSOS und möchte gerne meinen Beitrag dazu leisten, dass Menschen mit Behinderungen die gleichen Chancen haben wie alle anderen.

Ich habe einen Master in Sozialer Arbeit und beschäftige mich gerne mit sozialpolitischen Themen, insbesondere im Bereich Wohnen und Tagesstruktur für Menschen mit Behinderungen. Ich kann mich schnell in neue Branchen einarbeiten und verfüge über gute Kenntnisse in Deutsch und Französisch. Ich bin eine aufgeschlossene Person, die Charakterstärke besitzt und mit viel Engagement und Leidenschaft arbeitet.

In meiner bisherigen Karriere habe ich bereits mehrfach unter Beweis gestellt, dass ich in der Lage bin, Verantwortung zu übernehmen und Projekte erfolgreich zum Abschluss zu bringen. Zum Beispiel habe ich während meines Praktikums bei einer gemeinnützigen Organisation das Marketingkonzept überarbeitet und umgesetzt, was zu einer Steigerung der Spendeneinnahmen um 20% geführt hat. Auch in meiner aktuellen Tätigkeit als Teamleiterin zeige ich regelmässig Führungsstärke und sorge dafür, dass meine Mitarbeiter/innen zufrieden und motiviert bleiben.

Ich bewerbe mich bei INSOS, weil ich der Überzeugung bin, dass ich hier die Möglichkeit habe, einen echten Unterschied zu machen und mich für eine Sache einzusetzen, die mir am Herzen liegt. Die Vision und das Engagement von INSOS sprechen mich sehr an und ich möchte gerne meinen Beitrag dazu leisten, dass Menschen mit Behinderungen die gleichen Möglichkeiten und Chancen haben wie alle anderen.

Als Leiterin des Ressorts Lebensgestaltung werde ich mich gerne um das Wohl der Mitarbeitenden und die Koordination der Aktivitäten im Ressort kümmern. Ich werde dafür sorgen, dass das Ressort in Arbeits-, Fach- und Verbandsgremien sowie gegenüber Behörden angemessen vertreten wird und werde gerne neue Dienstleistungen, Projekte und Veranstaltungen initiieren und entwickeln. Durch meine kommunikativen Fähigkeiten und mein Gespür für die Bedürfnisse der INSOS-Mitglieder bin ich in der Lage, Prioritäten zu setzen und Projekte voranzutreiben, die wirklich wirksam sind.

Ich bedanke mich für die Möglichkeit, mich für diese sinnstiftende Stelle bewerben zu dürfen und freue mich auf die Chance, meine Fähigkeiten und Erfahrungen bei INSOS einzubringen.

Mit freundlichen Grüssen

Wir haben ChatGPT das Schreiben drei Mal verbessern lassen. Und zum Schluss haben wir noch gewisse Details korrigiert, die ChatGPT nicht wissen konnte, zum Beispiel welchen Studienabschluss wir angeben wollten. Aber diese Korrekturen waren minimal. Der ganze Prozess hat weniger als 10 Minuten gedauert.

Zweiter Versuch: ChatGPT will Geschäftsleiter werden

Auch beim zweiten Beispiel hat die künstliche Intelligenz ein wohlklingendes Bewerbungsschreiben geliefert.

Um diese Stelle ging es: «Geschäftsleiter:in der Stapfer Stiftung Horgen (SSH)». Den ausführlichen Inserat-Text können Sie im folgenden Bild lesen.

Dieses Mal war der erste Entwurf von ChatGPT nicht überzeugend. Darum haben wir ihr noch klarere Instruktionen gegeben und den Inhalt der Absätze vorgegeben. Damit, und nach einer weiteren kleinen Korrektur, war das Motivationsschreiben fertig. Im folgenden Bild können Sie den Prozess nachverfolgen:

 

Beurteilung durch Recruiting-Experten: Es fehlt die Persönlichkeit

Dann haben wir die beiden Motivationsschreiben dem Team von ARTISET Kaderselektion um Elise Tel und Jona Herrmann zur Beurteilung vorgelegt und gefragt, wie sie die Schreiben beurteilen.

schuljobs.ch: «Wirken die Bewerbungsschreiben überzeugend? Wie gut sind sie im Vergleich zu anderen Bewerbungen, die Sie auf diese Stellen erhalten?»

Antwort des Teams von ARTISET Kaderselektion: «Eher durchschnittlich – es ist jedoch auch so, dass sehr gute und überzeugende Bewerbungsbriefe eher rar sind.»

schuljobs.ch: «Würden Sie die Absender zu einem Gespräch einladen, vorausgesetzt, der CV und die anderen Dokumente sind überzeugend?»

ARTISET Kaderselektion: «Gemäss Brief bringt die Person alles für die Stelle mit und dies ist selten der Fall. Der CV muss das bestätigen können, was im Brief steht. Wenn dies nicht der Fall ist, kann es unglaubwürdig werden und führt zu einer Absage.»

schuljobs.ch: «Können Sie Ihren Gesamteindruck der Motivationsschreiben kurz zusammenfassen?»

ARTISET Kaderselektion: «Die gewählten Beispiele, welche eine gewisse Tiefe darstellen sollten, sind absolut unpassend gewählt. Man spürt die Person hinter dem Brief dahingehend nicht, weil keine Schwerpunkte gesetzt wurden, die einen Hinweis auf die Persönlichkeit geben könnte. Wenn im Brief sehr viele Verkaufsargumente aufgeführt werden, entspricht dies nicht der schweizerischen Art und löst somit Irritationen aus.»

Obwohl die Motivationsschreiben sehr gut klingen – oder gerade deswegen – sind also die Experten von ARTISET Kaderselektion nicht sehr überzeugt davon; es fehlt die Persönlichkeit.

 

Wie verändert künstliche Intelligenz das HR?

Was bedeutet das nun für Sie als HR-Profi? Wir glauben, dass im Moment noch niemand darauf eine abschliessende Antwort hat. Aber die Auswirkungen werden mittelfristig sicher gross sein. Denn nicht nur die künstliche Intelligenz wird in Zukunft noch besser werden, sondern auch die Menschen werden sehr schnell lernen, wie sie diese neue Technologie am besten einsetzen können.

Im Falle von Motivationsschreiben könnte das bedeuten, dass man die KI zwar nicht den ganzen Brief verfassen lässt, sie aber für die Ideen-Gewinnung und zum Verfassen der ersten Entwürfe einsetzt.

Weniger Text, mehr Gespräch

Darum wird sehr wahrscheinlich die Bedeutung des Schriftverkehrs im Bewerbungsprozess abnehmen, weil dieser sowohl auf Bewerber- wie auch auf Arbeitgeber-Seite teilweise automatisiert wird.

Denn es können ja nicht nur Bewerbende ihre Motivationsschreiben mit Hilfe von künstlicher Intelligenz verfassen. Sondern auch Sie auf der HR-Seite können dieses Werkzeug nutzen. Gewisse HR-Tools bieten ja schon lange an, die erste Sichtung von Lebenslauf und Motivationsschreiben automatisch vorzunehmen. Bald wird die künstliche Intelligenz auch bei Stelleninseraten, Einladungen zum Vorstellungsgespräch und Absagen ihre hilfreichen Dienste anbieten.

Das persönliche Gespräch und gegebenenfalls Tests und Assessments (vor Ort, nicht online) dürften hingegen an Bedeutung gewinnen. Denn nur so wird es in Zukunft möglich sein, sicherzustellen, dass Sie mit einem realen Menschen interagieren und nicht mit einer künstlichen Intelligenz.

Aufgaben für die künstliche Intelligenz

Überflüssig werden die Menschen im HR-Prozess sicher nicht. Aber die Arbeitsteilung zwischen Mensch und Maschine, respektive künstlicher Intelligenz, wird sich verändern. Ein grosser Teil der «Wissensarbeit», welche bisher Menschen verrichtet haben, wie zum Beispiel Texte verfassen, Texte lesen, verstehen und den Inhalt kategorisieren und bewerten, wird in Zukunft die künstliche Intelligenz übernehmen. Laut einer Expertengruppe sind vor allem folgende Einsatzgebiete denkbar:

  • Analyse von Lebensläufen
  • Einsatz von Chatbots als Ansprechpartner
  • Matching von Profilen
  • Erstellung eines Rankings
  • Vorschläge für Entwicklungsmassnahmen
  • Analyse von Audio- und Videoaufnahmen
  • Vorhersage der Kündigungsabsicht
  • Optimierung von Stellenanzeigen

Menschen tun, was sie am besten können

Die Rolle der HR-Mitarbeitenden aus Fleisch und Blut wird es hingegen eher sein, den Einsatz der künstlichen Intelligenz sinnvoll zu steuern und zu überwachen.

Und was sicher weiterhin die Domäne der Menschen sein wird, sind alle Aufgaben, welche zwischenmenschliche Qualitäten wie Empathie und Einfühlungsvermögen benötigen. Und im besten Fall bleibt Ihnen dafür in Zukunft wieder mehr Zeit, weil die künstliche Intelligenz Ihnen die Routinearbeiten abnimmt.


Beitrags-Partner: ARTISET Kaderselektion

Die ARTISET Kaderselektion unterstützt Mitglieder von ARTISET und ihren Branchenverbänden CURAVIVA, INSOS und YOUVITA sowie weitere Dienstleister aus dem Gesundheits- und Sozialbereich bei der Suche und Selektion von Führungspersonen.

Zur Website von ARTISET Kaderselektion

 

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